Stirling
Heute morgen ging es "ab in den Knast". Stirling hat ein
sehr bekanntes Gefängnis. Der Bau war das erste reformierte Gefängnis
Schottlands, welches die mittelalterlichen Verliese ablöste und hatte
seine Wurzeln im neuen Menschenbild des Viktorianischen Zeitalters. Und
es gibt dort eine erlebenswerte Führung, im wahrsten Sinne ein "Event".
Wir wurden vom "Gefängnisdirektor" in Empfang genommen und
nachdem er der Gruppe erst einmal Zucht und Ordnung beigebracht hatte,
führte er uns sehr anschaulich und unterhaltsam durch das Gebäude und
die Geschichte des Strafvollzuges in Schottland. Und vom Dach hat man
einen schönen Rundblick auf Stirling. Anschließend verabschiedeten
sich die Jugendlichen in die Stadt und wir besuchten mit Whites das
Wallace Monument, nicht ohne vorher John Cowanes Hospital und das Innere
der Krönungs-Kirche "Holy Rude" zu besichtigen. Dazu ist zu
sagen, dass Stirling mit seiner mächtigen Burg das Tor zu den Highlands
ist und wer Schottland erobern wollte, musste erst einmal Stirling
besitzen. Zweimal entschieden sich Schlachten bei Stirling zu Gunsten
der Schotten, zweimal kämpften sie in der Unterzahl und siegten durch
eine geschickte Taktik ihrer Führer und den Kampfeswillen ihrer Mannen.
Daher ist es kein Wunder, dass Stirling auch noch heute Symbol für den
Nationalstolz der Schotten ist.
Interessant dabei ist, dass sich die Ausstellung im Monument, einem
Turm auf einem steilen Hügel mit mehreren Etagen und einer
Aussichtsplattform nicht nur auf das bloße historische Kampfgeschehen
beschränkt. Vielmehr wird dargestellt, worauf die Schotten stolz sind,
und es werden weniger die großen Krieger, als viel mehr große
Wissenschaftler und Dichter, Weltreisende und Erfinder als die Helden
Schottlands gefeiert. Wer weiß denn schon, dass der Asphalt auf unseren
Straßen, der luftgefüllte Gummireifen oder das Penicillin von einem
Schotten erfunden wurde? Oder dass der große Afrikareisende Livingstone
kein Engländer, sondern ein Schotte war? Und auch die Schriftsteller
Robert Luis Stevenson oder Sir Arthur Conan Doyle waren Schotten. Und
ein besonderes Erlebnis wurde dieser Besuch natürlich durch die
leidenschaftlichen Erläuterungen eines bekennenden Schotten, in dessen
natürlichem Nationalstolz ich aber nie eine Andeutung von Nationalismus
fand. Diesbezüglich können wir Deutschen von den Schotten noch eine
Menge lernen.
Am späten Nachmittag gingen wir dann noch zum Bowling - Schottischem
Bowling wohlgemerkt, das mit dem bei uns bekanntem Bowling nichts gemein
hat. Es wird auf dem "Green" gespielt, einer Rasenfläche, die
so kurz geschnitten wird, dass sie sich nicht mehr wie ein Naturrasen
anfühlt (und die nur mit speziellen Schuhen betreten werden darf). Die
Regeln sind mit Boccia oder dem französischen Boulé verwandt, es wird
aber mit Kugeln gespielt, deren Schwerpunkt außermittig liegt und die
daher in gekrümmten Bahnen laufen. Gar nicht so einfach, aber es hat
Spaß gemacht. Interessant war aber auch der Einblick in das Clubleben,
allein das Alter des Vereins und der Spielstätte ist für Deutschland
unvorstellbar: Der Club wurde vor 1900 gegründet und spielt
ununterbrochen auf dem Green seit fast 100 Jahren. Es gibt Wartezeiten
auf die Mitgliedschaft von einigen Jahren und strenge Regeln. So durften
wir als Gäste von Außerhalb spielen, während z.B. die Ortsansässigen
Freunde oder selbst Ehefrauen von Clubmitgliedern das Green nicht
betreten dürfen, um es nicht zu sehr zu
strapazieren.